Wir sehen die Plakate jetzt an Kirchen und Gemeindehäusern, und wir werden sie bis zum Sommer noch öfter sehen. Dynamisch-vitale Menschen verschiedenen Alters und diese drei Wörter mit einem auffallend roten Mund. Fast wie bei den Kreuzfahrtschiffen mit der Lippenstift-Bemalung. Oder bei der alten Band „The Rolling Stones“ (nur dass da auch noch eine rausgestreckte Zunge mit drauf war).
Bin ich mutig, stark und beherzt jetzt zu Beginn dieses Jahres 2025? In meinem eigenen Leben mit seinen Veränderungen und Ungewissheiten? In unserem Land, wo einiges immer stärker und lauter wird, was ich einfach nicht ertragen kann und was ich für lange überwunden gehalten hatte? In einer Kirche, in der es auch mehr Probleme als Strahlen gibt? Und als Mitbewohner dieser Erde, der nur zu genau weiß, was die Menschen und anderen Geschöpfe an vielen Orten leiden? Kaum.
„mutig – stark – beherzt“ ist das Thema und die Überschrift des 39. Deutschen Evangelischen Kirchentages vom 30. April bis zum 5. Mai in Hannover. Der Kirchentag alle zwei Jahre will „evangelische Zeitansage“ sein, sich den Herausforderungen, Krisen und Konflikten der Zeit stellen und auf dem „Markt der Möglichkeiten“ nach Klarheit, Antworten und Wegen suchen, sichtbar und vernehmbar in unserer Gesellschaft. In Diskussionen und Werkstätten, Gottesdiensten und Konzerten, der Begegnung mit unzähligen Initiativen und Gruppen. Fünf Tage lang füllt der Kirchentag dann eine ganze Stadt, Messegelände, Kirchen, die Schulen als Schlafquartier, Parks und Stadion. An solchen Tagen in der Sonne, endlich auch mal unter vielen, können junge Christinnen und Christen sich wirklich mutiger, stärker und beherzter fühlen als sonst. Aber wie lange wird das zu Hause noch anhalten, wenn keine „Kirchentagsstimmung“ mehr herrscht?
Wo steht das überhaupt geschrieben, dass wir mutig, stark und beherzt sein können? Es steht in der Bibel, am Ende des ersten Briefs des Apostels Paulus an die Gemeinde in Korinth.
Die Worte sind an eine gut begründete neue Übersetzung angelehnt, die wir aber so nicht in unseren Bibeln finden:
Bleibt hellwach und aufrecht – im Gottvertrauen,
seid stark (darin) und zeigt, was in euch steckt!.
Kor 16, 13 (Übers. für den Kirchentag Hannover 2025)
In dieser neuen Übersetzung wird die Bedeutung des Vertrauens für das wache Herz und die Stärke klar gemacht, und die Worte für „mutig“ werden von „Mann“ und „männlich“ abgelöst.
Solche Ermahnungen, ob am Ende eines Briefes oder auf einem Kirchentag, können als unrealistisch und weltfremd, als „unschaffbarer“ Auftrag und klare Überforderung erscheinen.
Aber solche Sätze waren bei Paulus nie bloße Ermahnungen. Wenn er sagt „parakaleoo“, „ich rede euch zu“, dann ist das immer ein Zuspruch mit gutem Grund. Der steht auf vielen Blättern vorneweg. Und darum ist das dann auch und nicht zuletzt Trost. Der Grund ist Gottes Liebe zu dieser Welt und ihren Menschen. Auf ihn könnt ihr vertrauen. Und ihr werdet euch aufrichten, euch umsehen in dieser schönen und schrecklichen, verworrenen und verwirrenden Welt. Und Kraft und Mut merken. Und dann gibt diese Liebe eurem Leben auch die Richtung. Das steht dann gleich im nächsten Vers, der ja 2024 auch unsere „Jahreslosung“ war:
Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!
(1. Kor 16, 14)
Ich hätte mir vielleicht ein anderes Kirchentagsplakat gewünscht als dieses hier mit der „großen Klappe“. Naja, Geschmacksache. Und das biblische Kirchentagsthema so formuliert, dass es jede und jeder in der eigenen Bibel wiederfinden und im Zusammenhang lesen kann. Denn das ist doch wichtig!
Aber dabei bleibt’s: Unser Leben, unsere Wege und unsere Welt haben ein „Oberlicht“, die Liebe und Treue Gottes. Aus dem leuchtet’s, und zu dem können wir aufblicken. Und werden Vertrauen, Mut und Kraft merken.
Das wünsche ich von Herzen den vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern am Kirchentag in Hannover, uns in unseren Gemeinden, die meistens kein „Großevent“ sind oder zu bieten haben. Und nicht zuletzt mir selbst in meinem Leben.
Mit den anderen Mitarbeitenden der Gemeinde grüßt Ihr und euer
Pastor Stefan Maser
Ja, die Welt ist dunkel.
Nur ja die Ohren nicht hängen lassen! Nie!
Denn es wird regiert, nicht nur in Moskau oder in Washington oder in Peking,
aber ganz von oben, vom Himmel her.
Gott sitzt im Regiment. Darum fürchte ich mich nicht.
Bleiben wir doch zuversichtlich, auch in den dunkelsten Augenblicken !
Lassen wir die Hoffnung nicht sinken,
die Hoffnung für alle Menschen, für die ganze Völkerwelt.
Gott lässt uns nicht fallen, keinen einzigen von uns und uns alle miteinander nicht!
Es wird regiert!
Karl Barth (1886-1968) am 9. Dezember 1968, dem Vorabend seines Todes,
am Telefon zu seinem Freund Eduard Thurneysen