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„Geh hin und sieh, ob’s gut steht um deine Brüder und um das Vieh!“

(Losungswort für den 1. März 2021)

Das lag dem Vater der ganzen großen Familie natürlich am Herzen. Und der Sohn, knapp 18 Jahre alt, nimmt den Auftrag an und geht los. Es ist eine abenteuerliche Reise, schließlich noch über einen Gebirgszug mehr. Menschen und Herden waren weitergezogen. Aber der Auftrag ist zu schaffen. Da sind sie, alle wohlauf!
Dann bricht die menschliche Katastrophe los: Neid, Missgunst, Hass, Überheblichkeit, alte Vorwürfe, Lüge, das nagende Gefühl, selbst immer zu kurz zu kommen. Um ein Haar hätten die eigenen Brüder den jungen Mann ermordet. Der Einspruch des einzigen Besonnenen ist schwach, aber er verhindert das Schlimmste. Der Bruder wird in eine Erdhöhle gepackt. Das ist auch ganz klar lebensgefährlich. Und dann geben sie ihn Menschenhändlern mit. Es folgen zwölf rechtlose Jahre in einem fremden Land. Der Vater hält ihn für tot.


Alles ist sehr viel anders in diesem anderen Land. Fremde Gesetze, ein ganz anderes Bodenrecht. Ein anderes Wirtschaftssystem mit einer umfangreichen staatlichen Vorratswirtschaft. Der junge Fremde landet zwischendurch unschuldig im Gefängnis. Aber er hat große Begabungen und Fähigkeiten. Die fallen wieder auf, er setzt sie ein und steigt auf zum einflussreichen Regierungsberater. Er hilft entscheidend mit, dass das Land eine bedrohliche Krise besteht. Ob es auch so gut ausgegangen wäre, wenn sie ihn dort nicht gehabt hätten?
Einige Jahre darauf trifft die Krise sein Heimatland. Es ist nicht so gut vorbereitet. Die Familie schickt die stolzen, missgünstigen, verlogenen und rücksichtslosen Brüder los, um mit den letzten Rücklagen im Nachbarland Getreide einzukaufen.


Es gibt einige Verwicklungen. Die menschliche Katastrophe in der Familie wirkt bei allen Beteiligten nach. Aber der Bruder in der Fremde sorgt nun auch für seine eigene Familie. Er verschafft ihnen Hilfe und schließlich eine menschenwürdige, geschützte Stellung und Rechtssicherheit. All das, was er selbst so lange nicht hatte.
Jetzt steht es endlich wirklich gut um seine Brüder und das Vieh. Auch der alte Vater erlebt es noch mit. Gott sei Dank!
Schon erkannt?


Das ist, in kurzer Zusammenfassung, die Geschichte von Josef und seinen Brüdern aus dem Alten Testament. Nachzulesen im 1. Buch Mose Kapitel 37-50. Sie ist rund 3000 Jahre alt, aber sehr aktuell. Sie erzählt von gefährlichen Krisen. Von Begabungen und Möglichkeiten, sie zu bestehen und andere Menschen zu schützen und zu retten. Sie erzählt, wie das auch unter ganz fremden, ganz neuen Bedingungen gelungen ist. Ägypten war doch wirklich ein merkwürdiges Land! Sie ist voller Mut zum Neuen, zum vernünftigen Handeln, zur Wissenschaft. Sie ist überraschend aufgeklärt, aber nicht von ferne gottlos.
Denn sie zieht aus allem den Schluss: „Gott gedachte, es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk.“ (1. Mose 50, 20)


Aber dabei kommt es darauf an, dass Neid, Missgunst, Hass, Überheblichkeit, Lügen, das nagende Gefühl, selbst immer zu kurz zu kommen, keinen Raum gewinnen. Die verderben nämlich regelmäßig alles.
Das Vorbild ist Josef. Obwohl der am Anfang auch ziemlich überheblich war und bestimmt kein Unschuldslamm.
Von ihm heißt es: „Komm, ich will dich zu ihnen senden.“
Er aber sprach: „Hier bin ich!“ (1. Mose 37, 13)
Später hat er dann seine Begabungen erkannt, Hilfe und Bewahrung erfahren. Ganz schön große Möglichkeiten hat er in seinen Händen. Und er sagt: „So fürchtet euch nun nicht; ich will euch und eure Kinder versorgen.“ Und er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen. (1. Mose 50, 21)

In einem noch immer sehr viel anderen Jahr mit einigem an Lasten, Sorgen und Herausforderungen unter uns – und vielen Chancen, füreinander da zu sein, grüßt mit den übrigen Mitarbeitenden der Gemeinde
Ihr und euer

Stefan Maser

Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Für viele sind diese Weihnachts- und Neujahrsstrophen von Dietrich Bonhoeffer (1906-1945) ein Lieblingslied. Sie verwahren eine Karte mit den Worten oder verschicken sie als Trost und Ermutigung. Andere halten die „guten Mächte“ eher für einen schönen Traum. Bonhoeffer schrieb diese Verse in den letzten Tagen des Jahres 1944 als Gefangener in einer Kellerzelle in Berlin. Zum Lied wurden sie erst Jahre später. Der hochbegabte junge Theologe (in seiner Familie war man „spitze“ auf jedem Gebiet) hatte sich früh dem politi-schen Widerstand gegen Hitler angeschlossen. Für einen Lutheraner war das wirklich nicht naheliegend. Nur sehr wenige gingen diesen Weg. Bonhoeffer wurde verdächtig und kam im April 1943 ins Untersuchungsgefängnis in Tegel. Die Häftlinge dort waren ohne Schutzräume den Bombenangriffen auf Berlin ausgesetzt. Ihr Schreien und ihre Zusammenbrüche steckten Bonhoeffer in den Knochen.
Nach dem Attentat auf den Diktator am 20. Juli 1944 und einem Dokumentenfund in Zossen, der das Netz des Widerstandes erkennen ließ, wurde Bonhoeffer in den Keller des „Reichssicherheitshauptamtes“ verlegt. Ihm war klar, dass er keine Aussicht auf Freilassung und Überleben mehr hatte. Die Verse zum Jahreswechsel im Brief an seine Verlobte sind der letzte längere Text von ihm. Am 9. April 1945 wurde Dietrich Bonhoeffer im Konzentrationslager Flossenbürg in Bayern ermordet.
Die schönen Worte von den „guten Mächten“ sind also von Anfang bis Ende „trotzdem-Worte“ und „Glaubenswiderstand“. Von einem Einzelnen in düsterer Lage in der ersten Strophe. Als Einladung und Ermutigung für viele in den folgenden.
Trotzdem-Glaube und Glaubenswiderstand halten sich an Gottes Wort: „Ich will euch trösten wie einen seine Mutter tröstet“ (Jesaja 66, 13). Und an die Zusage Jesu, sein letztes Wort nach dem Matthäusevangelium: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende“ (Matthäus 28, 20).
Und das genügt. Als Trost, als Ermutigung – und als ziemlich klarer Wegweiser, was ich denn jetzt tun soll. Und was ich antworten muss auf einiges, was rundherum zu hören ist.
Gut zu wissen, dass diese schönen Worte wirklich nicht bei „Schönwetter“ entstanden sind. Dann können sie mir vielleicht mehr helfen, wenn bei mir und um mich herum nicht nur „Schönwetter“ ist. Zum trotzdem-Glauben. Und zum Widerstehen.
Zur Advents- und Weihnachtszeit und zum neuen Jahr grüßt mit den anderen Mitarbeitenden der Gemeinde Ihr und euer

Pfarrer Stefan Maser

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
(eg 65/ 652)