Zum 80. Todestag des Liederdichters Jochen Klepper
Oft haben wir schon gemeinsam gesungen „Er weckt mich alle Morgen, er weckt mir selbst das Ohr…“ Oder im Advent mit eingestimmt in das Lied „Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern…“
Dies sind nur zwei Beispiele der Lieder unseres Gesangbuchs, die wir Jochen Klepper verdanken.
Seine Texte zeugen von tiefer Vertrautheit mit der Bibel, von protestantischer Frömmigkeit und sehr persönlichen Glaubenserfahrungen. Sie schildern schmerzvolle, tiefgreifende Lebenserfahrungen. Dabei blenden sie jedoch Dunkelheit und Verzweiflung nicht aus und sind doch voller Hoffnung. Dass seine Lieder das Gesangbuch eroberten, erlebte Jochen Klepper nicht mehr.
In der Nacht zum 11. Dezember 1942 schied der Dichter zusammen mit seiner Frau Johanna und ihrer Tochter Renate aus erster Ehe aus dem Leben. Zu diesem Zeitpunkt war für die Familie endgültig klar geworden, dass Jochen Klepper seine Lieben vor dem Zugriff des nationalsozialistischen Staates nicht mehr retten konnte.
Im Jahre 1931 hatte er Johanna Gerstel-Stein geheiratet. Sie war Jüdin. Damit war Familie Klepper im Nationalsozialismus von der Verfolgung jüdischen Lebens direkt bedroht. Als Bestsellerautor, dessen Werke auch Nazi-Größen gefielen, blieb er jedoch lange Zeit unbehelligt. So konnte die ältere Tochter Brigitte noch rechtzeitig nach England auszureisen. Doch die Möglichkeit, eine Ausreisegenehmigung auch für seine jüdische Frau Hanni und die Tochter Renate zu bekommen, waren inzwischen vollkommen aussichtslos.
Für die Familie bedeutete das eine unmittelbar bevorstehende Zwangsscheidung, Deportation und Tod.
Im Jahre 1942 gab es schließlich keinen anderen Ausweg, als sich gemeinsam das Leben zu nehmen. Jochen Kleppers Tagebuch endet am 10. Dezember 1942 mit den Sätzen:
„Über uns steht in der letzten Stunde das Bild des segnenden Christus,
Jochen Klepper, 10. Dezember 1942
der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben.“
Helga Klaus
EG 16
Strophe 1
Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern!
So sei nun Lob gesungen
dem hellen Morgenstern!
Auch wer zur Nacht geweint,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
auch Deine Angst und Pein.
Strophe 5
Gott will im Dunkel wohnen
und hat es doch erstellt.
Als wolle er belohnen,
so richtet er die Welt.
Der sich dem Erdkreis baute,
der lässt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht
Der Theologe, Schriftsteller und Liederdichter Jochen Klepper war unter seinen Zeitgenossen und Bekannten stets der andere und irgendwie anderswo. Der mit Asthma und anderen Krankheiten belastete Junge erfuhr von seinem Vater, selbst evangelischer Pfarrer und durch seine Heirat reich geworden, viel Fordern, aber nur wenig Ermutigung und Stärkung – und auch für seine späteren Lebensentscheidungen keine Anerkennung.
Erhaltene Briefe und Tagebücher weisen darauf hin, dass er als Jugendlicher im Hause eines Freundes seines Vaters schwere Missbrauchserfahrungen gemacht hat.
Ein Theologiestudium schloss er nicht ab. Er wurde nicht Pfarrer, sondern fand Arbeit als Rundfunk- und Verlagsmitarbeiter. Bald setzten Sanktionen, Verfolgung, Sorgen und Gefahren ein wegen seiner Ehe mit einer verwitweten jüdischen Frau, Mutter zweier Töchter.
In seinem 850-Seiten-Roman von 1937 „Der Vater“ über König Friedrich Wilhelm I. von Preußen zeichnet Klepper das Bild eines in seinem Gewissen und an Gottes Wort gebundenen dienenden Monarchen – eine deutliche Kritik an den Diktatoren seiner Zeit, vor allen am gott-, bindungs- und ruchlosen „Führer“ Adolf Hitler. Trotzdem wurde sein Buch wegen der geschilderten „preußischen Tugenden“ in der Offiziersausbildung der Hitlerschen Wehrmacht gelesen.
Zur näheren Beteiligung an der „Bekennenden Kirche“ und ihren wenigstens zum Teil mutigen Aktionen, zum Beispiel der Berliner Vikarin Katharina Staritz, einer Studienfreundin, fand Klepper nicht.
„Sie [, die Mitglieder der Bekennenden Kirche,] wissen ja gar nicht, was unentrinnbares, von Gott her notwendiges Leiden ist. (…) Diese Kirche wird mich nie singen lehren.“
Kleppers eigentümliche Mischung von lutherischer Gehorsams- und mystischer Leidenstheologie mitten in schweren Gewalt- und Unrechtserfahrungen wird auch in seinen Gebeten und Liedern deutlich. In seinem Neujahrslied „Der du die Zeit in Händen hast“ wurde sie für unsere Gesangbücher abgemildert:
Der du allein der Ewge heißt
eg 64
und Anfang, Ziel und Mitte weißt
im Fluge unsrer Zeiten:
Lass, sind die Tage auch verkürzt,
Jochen Klepper, 1938
wie wenn ein Stein in Tiefen stürzt
uns Dir nur nicht entgleiten!
eg 64,6
Bleib du uns gnädig zugewandt
und führe uns an deiner Hand,
damit wir sicher schreiten.
Stefan Maser