So viele Taufen waren im letzten halben Jahr in unseren Kirchen! Jede Taufe ist ein Fest mit einem, bei uns meist wunderbar jungen und neuen, Menschen im Mittelpunkt. Es geht um seinen Namen, sein unverwechselbares einmaliges Gesicht. Und wir merken und feiern Liebe und Staunen und Dankbarkeit, den Zusammenhalt in einer Familie und einem Freundes- und Freundinnenkreis, ohne den niemand von uns leben könnte. Schon gar kein kleiner Mensch.
Und trotzdem ist die Taufe mehr als nur ein Dank- und Wünsche- und Segensfest. Sie ist das Zeichen, das ein Menschenleben am deulichsten mit Jesus verbindet – und Jesus mit diesem Leben.

Getauft wird mit Wasser. Wasser bedeutet Leben. Ohne Wasser lebt nichts und niemand. Aber Wasser bedeutet auch Gefahr und Tod. Viel Wasser kann zerstörerisch sein. Und wer ins Wasser fällt, nicht schwimmen kann und nicht schnell genug herausgezogen wird, der kann darin sterben. So ist das Wasser ein Zeichen für den Weg, den Jesus für uns Menschen gegangen ist, durch ein wunderbares Leben in einen grausamen Tod – und durch die Treue Gottes in ein neues Leben, das niemand zerstören kann. Und was er hat, das teilt er mit uns, da ist er selbst ganz für uns mit da. „You’ll never walk alone. – Du wirst niemals alleine gehen.“

Als Matthäus die Geschichte Jesu erzählte, musste er natürlich überlegen, was denn seine letzten Worte an seine Jüngerinnen und Jünger auf der Erde waren. Die wären dann ja wohl besonders wichtig. Er fand dies: „Die Taufe auf den Namen Gottes soll unser und euer Zeichen sein.“ A u f den Namen Gottes. Nicht, weil die Getauften jetzt alle „Gott“ heißen. Taufe ist keine Namensgebung wie bei einem Schiff oder beim Taufespielen der Kinder mit Puppe und Teddybär. Sondern ein fröhlicher Übergang in Gottes Lebensbereich der Freiheit, des Trostes und der Hoffnung. Sein Name ist dabei „Unterschrift“ und Versprechen, auf das man sich verlassen kann. (Erst später wurde das Taufen „im Namen Gottes“ üblich, um Auftrag und die Vollmacht zum Taufen zu betonen.) Denn getaufte Menschen leben unter Jesu allerletztem Wort: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Und meistens dazu unter einem weiteren eigenen Taufspruch aus der Bibel, der liebevoll für sie ausgesucht wurde.

Wie Taufen geht, brauchte Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern nicht zu erklären. Sie wussten es von Johannes dem Täufer, dem Propheten, mit dem er, Jesus, verwandt war. Und bald war es in jeder Gemeinde regelmäßig zu sehen.
Zuerst, auch bei Johannes, wurde mit Untertauchen und Herausholen getauft. „Dein altes Leben ist vorbei. Ein neues Leben mit Gott fängt an.“ Als dann auch kleine Kinder am Anfang ihres Lebens getauft wurden oder wenn genug Wasser zum Untertauchen fehlte, auch mit Begießen, wie wir es kennen: „Was Jesus verspricht und schenkt, gilt auch für dich!“

„Soll man denn auch die kleinen Kinder taufen?“ Die Antwort des wunderbaren und immer bedenkenswerten Heidelberger Katechismus von 1563 auf diese immerhin schon 74. Frage der Gemeinde heißt: „Ja; denn sie gehören ebenso wie die Erwachsenen in den Bund Gottes und seine Gemeinde!“ Immer mal wieder ein paar Größere oder Große zur Taufe begrüßen können, die selbst sagen, dass sie getauft sein wollen und was sie da finden und beginnen, ist natürlich auch viel wert.
So oder so: Der Glaube der Getauften braucht Helferinnen und Helfer, Begleiter/innen und Helfer/innen zum Vertrauen und zum Verstehen, für Liebe und Mut. Das nennen wir bei den jüngeren Getauften die PatInnenaufgabe. Wie oft im Leben wird das Wichtigste hier ohne Worte getan, einfach mit Leben und Dasein und Tun. Aber manchmal müssen für die Klarheit doch Worte dazu – aus einer guten Kinderbibel oder mit einem Gebet oder Lied. Um deutlich zu machen, wem wir danken, auf wen wir hoffen, wem wir vertrauen – die Großen wie die Kleinen.

Jede Taufe ist ein Fest für alle!
Taufen gehören auf den Sonntag, den Jesus- und Auferstehungstag.
In den Gottesdienst der Gemeinde, die den Auftrag Jesu gehört hat.
Und diesen kleinen Menschen und seine Familie begrüßt und aufnimmt und sich mit ihnen freut.
So wollen wir’s jetzt, nach den „Extra-Taufen“ der Coronazeit, auch wieder machen. Sonntag ist Taufe – Taufe ist am Sonntag!

Pfarrer Stefan Maser

Oft haben wir schon gemeinsam gesungen „Er weckt mich alle Morgen, er weckt mir selbst das Ohr…“ Oder im Advent mit eingestimmt in das Lied „Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern…“
Dies sind nur zwei Beispiele der Lieder unseres Gesangbuchs, die wir Jochen Klepper verdanken.
Seine Texte zeugen von tiefer Vertrautheit mit der Bibel, von protestantischer Frömmigkeit und sehr persönlichen Glaubenserfahrungen. Sie schildern schmerzvolle, tiefgreifende Lebenserfahrungen. Dabei blenden sie jedoch Dunkelheit und Verzweiflung nicht aus und sind doch voller Hoffnung. Dass seine Lieder das Gesangbuch eroberten, erlebte Jochen Klepper nicht mehr.
In der Nacht zum 11. Dezember 1942 schied der Dichter zusammen mit seiner Frau Johanna und ihrer Tochter Renate aus erster Ehe aus dem Leben. Zu diesem Zeitpunkt war für die Familie endgültig klar geworden, dass Jochen Klepper seine Lieben vor dem Zugriff des nationalsozialistischen Staates nicht mehr retten konnte.
Im Jahre 1931 hatte er Johanna Gerstel-Stein geheiratet. Sie war Jüdin. Damit war Familie Klepper im Nationalsozialismus von der Verfolgung jüdischen Lebens direkt bedroht. Als Bestsellerautor, dessen Werke auch Nazi-Größen gefielen, blieb er jedoch lange Zeit unbehelligt. So konnte die ältere Tochter Brigitte noch rechtzeitig nach England auszureisen. Doch die Möglichkeit, eine Ausreisegenehmigung auch für seine jüdische Frau Hanni und die Tochter Renate zu bekommen, waren inzwischen vollkommen aussichtslos.
Für die Familie bedeutete das eine unmittelbar bevorstehende Zwangsscheidung, Deportation und Tod.
Im Jahre 1942 gab es schließlich keinen anderen Ausweg, als sich gemeinsam das Leben zu nehmen. Jochen Kleppers Tagebuch endet am 10. Dezember 1942 mit den Sätzen:

„Über uns steht in der letzten Stunde das Bild des segnenden Christus,
der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben.“

Jochen Klepper, 10. Dezember 1942

Helga Klaus

EG 16

Strophe 1

Die Nacht ist vorgedrungen,
der Tag ist nicht mehr fern!
So sei nun Lob gesungen
dem hellen Morgenstern!
Auch wer zur Nacht geweint,
der stimme froh mit ein.
Der Morgenstern bescheinet
auch Deine Angst und Pein.

Strophe 5

Gott will im Dunkel wohnen
und hat es doch erstellt.
Als wolle er belohnen,
so richtet er die Welt.
Der sich dem Erdkreis baute,
der lässt den Sünder nicht.
Wer hier dem Sohn vertraute,
kommt dort aus dem Gericht


Der Theologe, Schriftsteller und Liederdichter Jochen Klepper war unter seinen Zeitgenossen und Bekannten stets der andere und irgendwie anderswo. Der mit Asthma und anderen Krankheiten belastete Junge erfuhr von seinem Vater, selbst evangelischer Pfarrer und durch seine Heirat reich geworden, viel Fordern, aber nur wenig Ermutigung und Stärkung – und auch für seine späteren Lebensentscheidungen keine Anerkennung.
Erhaltene Briefe und Tagebücher weisen darauf hin, dass er als Jugendlicher im Hause eines Freundes seines Vaters schwere Missbrauchserfahrungen gemacht hat.
Ein Theologiestudium schloss er nicht ab. Er wurde nicht Pfarrer, sondern fand Arbeit als Rundfunk- und Verlagsmitarbeiter. Bald setzten Sanktionen, Verfolgung, Sorgen und Gefahren ein wegen seiner Ehe mit einer verwitweten jüdischen Frau, Mutter zweier Töchter.
In seinem 850-Seiten-Roman von 1937 „Der Vater“ über König Friedrich Wilhelm I. von Preußen zeichnet Klepper das Bild eines in seinem Gewissen und an Gottes Wort gebundenen dienenden Monarchen – eine deutliche Kritik an den Diktatoren seiner Zeit, vor allen am gott-, bindungs- und ruchlosen „Führer“ Adolf Hitler. Trotzdem wurde sein Buch wegen der geschilderten „preußischen Tugenden“ in der Offiziersausbildung der Hitlerschen Wehrmacht gelesen.
Zur näheren Beteiligung an der „Bekennenden Kirche“ und ihren wenigstens zum Teil mutigen Aktionen, zum Beispiel der Berliner Vikarin Katharina Staritz, einer Studienfreundin, fand Klepper nicht.
„Sie [, die Mitglieder der Bekennenden Kirche,] wissen ja gar nicht, was unentrinnbares, von Gott her notwendiges Leiden ist. (…) Diese Kirche wird mich nie singen lehren.“
Kleppers eigentümliche Mischung von lutherischer Gehorsams- und mystischer Leidenstheologie mitten in schweren Gewalt- und Unrechtserfahrungen wird auch in seinen Gebeten und Liedern deutlich. In seinem Neujahrslied „Der du die Zeit in Händen hast“ wurde sie für unsere Gesangbücher abgemildert:

Der du allein der Ewge heißt
und Anfang, Ziel und Mitte weißt
im Fluge unsrer Zeiten:

eg 64

Lass, sind die Tage auch verkürzt,
wie wenn ein Stein in Tiefen stürzt
uns Dir nur nicht entgleiten!

Jochen Klepper, 1938


Bleib du uns gnädig zugewandt
und führe uns an deiner Hand,
damit wir sicher schreiten.

eg 64,6

Stefan Maser

Maria von Magdala kam zu den Jüngern
und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen.
Und sie berichtete, was er ihr gesagt hatte.

Johannes 20, 18 – Monatsspruch für den April

Christsein besteht nicht zuerst in Vorschriften und Regeln. Oder in „Werten“ und einem „christlichen Menschenbild“. Sondern es beginnt mit dem Osterglauben.
Und an dessen Anfang steht, was Maria aus Magdala, wegen ihrer Heimatstadt am See Genezareth auch Maria Magdalena genannt, am Ostermorgen zu berichten hatte.
Sie war eine Jüngerin Jesu, nach Lukas 8 von Jesus von schwerer Krankheit geheilt, und eine der Frauen, die mit ihrem Vermögen für den Unterhalt Jesu und der Jünger*innengruppe sorgten. Anders als die Männer der Gruppe hatte sie Jesus nicht verlassen und war nach seiner Verhaftung nicht geflohen. So wird sie mit einigen anderen Frauen Zeugin seiner Hinrichtung. Und am Ostermorgen, als sie als „Angehörige“ zum Grab geht, Zeugin, dass er lebt. Die anderen Jünger erfahren es von ihr. Sie ist die „Apostelin der Apostel“. Ohne Maria Magdalena kein Osterglaube!
Maria Magdalena hat viele Phantasien auf sich gezogen. Religiöse, die uns in Apokryphen begegnen, frühen christlichen Schriften, die nicht ins Neue Testament gekommen sind (die meisten aus gutem Grund). Sie ist die „Sophia“, die Weisheit Gottes, von Beginn der Schöpfung dabei und seinem „Wort“ Jesus Christus fast gleich! Jesus wird sie wegen ihrer besonderen Bedeutung noch in einen Mann verwandeln!
Und ganz durchschnittliche (Männer-) Phantasien. Maria Magdalena war die Frau von Jesus! (Nein, Jesus war, auch nach den Ergebnissen kritischster historischer Forschung, nicht verheiratet.)
Wenn das nicht, dann doch wenigstens eine große Versuchung für ihn! Denn sie war doch sicher die „große Sünderin mit der vielen Liebe“, die mit den langen Haaren und dem exzentrischen Verhalten, von der im Lukasevangelium ein Kapitel vorher erzählt wird. (Eine völlig unbegründete Gleichsetzung. Aber von der kommt auch, wie Maria Magdalena jahrhundertelang gemalt wurde, ihre „Ikonographie“.)
Und viel Liebe und Sünde, das muss doch was Sexuelles gewesen sein! (Aber „viel geliebt“ meint nicht die „vielen Sünden“ dieser Frau, sondern es ist Jesu Wort für ihr „auffälliges“ Verhalten, als ihr vergeben war.)
Haben nicht auch die Rabbiner über Magdala erzählt, was da so alles abgeht? (Haben sie, aber über einen anderen Ort gleichen Namens.) Und davon besessen „mit sieben Dämonen“. Eijeijeijeijei!
Alles Phantasien. Männerphantasien. Und aus Phantasien erfährt man ja mehr über den, der sie hat und weiterverbreitet, als über den Menschen, dem sie angehängt werden. Aber diese Phantasien haben Geschichte gemacht, in Büchern, „Magdalenenheimen“ für „gefallene Mädchen“, Filmen und esoterischen Lehren.


Das alles war Maria Magdalena nicht. Eine treue Jüngerin Jesu war sie. Am Ostermorgen hat sie gehört, erfahren und geglaubt, dass ihr Herr lebt. Und das hat sie in Bewegung gesetzt zu den anderen und sie hat es weitergesagt.
Maria Magdalena war die erste Christin.
Und damit ein Vorbild auch für uns, Frauen und Männer.
Hören, erfahren, glauben, weitersagen. Und nicht zu vergessen: sich in Bewegung setzen lassen zu den anderen. Ohne dauernde Phantasien über die „vielen Sünden“ anderer Menschen.
In unserer Zeit des Bedenkens des Weges Jesu und zum Osterfest
grüßt mit den anderen Mitarbeitenden der Gemeinde Ihr und euer

Pastor Stefan Maser

Bei dir, Jesu, will ich bleiben, stets in deinem Dienste stehn;
nichts soll mich von dir vertreiben, will auf deinen Wegen gehn.
Du bist meines Lebens Leben, meiner Seele Trieb und Kraft,
wie der Weinstock seinen Reben zuströmt Kraft und Lebenssaft.

eg 406 – Konfirmationslied unserer Gemeinde

Lies doch mal nach!
über Maria Magdalena: Lukas 8, 1-3; Markus 15, 40-41; Johannes 20, 1-18 über die sogenannte „große Sünderin“ und ihre „verrückte“ große Liebe: Lukas 7, 36-50

Sarah, die Frau Abrahams, lacht. Einmal ungläubig, als sie hört, dass sie noch ein Kind bekommen soll. In ihrem Alter! Dann als das Kind da ist. „Und doch! Gott hat mir ein Lachen zugerichtet!“ (1. Mose 18 und 21). Einige unter uns sind 90 und älter.
Einige junge Frauen freuen sich auf ein Kind oder haben schon eins auf dem Arm. 90 und schwanger ist niemand.
Aber Lachen brauchen wir auch. Denn Lachen ist Freiheit. Wie Singen oder Musizieren. Reiten ohne Sattel, Motorradfahren (Entschuldigung, Greta!) oder Fliegen am Kettenkarussell. Wie der Glaube überhaupt. Weil der es mit Gott zu tun hat, der immer „noch manchen Trumpf in seinem Skatblatt hält“ (Gottfried Benn). Finden, zeigen und leben wir die Gründe zum Lachen, auch in unserer Gemeinde? Mit fröhlichen Menschen, die zu Gott gehören, befreiendem Glauben, bedeckten Sünden (Psalm 32, 1) und festem Vertrauen auf Gottes Gnade? Und lachen auch selbst wirklich herzlich mit? Das ist eine tägliche Aufgabe. Aber eine, die sich echt und ehrlich lohnt.
Das Gebet aus der Church of Scotland, formuliert offenbar aus der Sicht einer jüngeren Frau, ist schon ein Ding. Vor allem mit der Pointe am Schluss: 90 und schwanger! Ob es eine Chance hätte, in eine „Agende“ unserer Kirche zu kommen, eins von den großen Büchern, aus denen der Pastor im Gottesdienst liest? Ich werde es vorschlagen für die Neubearbeitung der „Reformierten Liturgie“, die gerade im Gange ist. Die Leitung der Neuausgabe hat übrigens eine kaum dreißigjährige Frau aus Halle. Dann hat das Sarah-Lachen ja vielleicht eine Chance.
Die wenigen Male, dass in der Kunst Jesus herzlich lachend dargestellt wurde, gab es erstmal einen Skandal. Warum eigentlich? „Ich halte Jesus für den glücklichsten Menschen, der je gelebt hat. Himmel und Erde waren sein, aber er ‚besaß es nicht mit Eigentum‘“. Hat eine Theologin gesagt, die auch einige kleine Skandale ausgelöst hat. Aber Paulus (oder die Gemeinde, von der er das Lied abgeschrieben hat) ja auch schon: „Er behielt es nicht als seine Räuberbeute!“ (Phil 2, 6) Und Johannes: „Er kam in sein Eigentum. … Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er.“ (Joh 1, 11+12) Soll er dabei nicht fröhlich gewesen sein und gelacht haben?
Wir brauchen Lachen. Wir haben die besten Gründe dazu.
Lachen Sie mit, auch in diesem noch immer ziemlich besonderen und nicht unbelasteten Frühjahr und Sommer 2021?
Mit den übrigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gemeinde grüßt
Ihr und euer

Pfarrer Stefan Maser

Ich habe genug
Von freudlosen Heiligen
und säuerlicher Religion.
Ich habe genug
von Sündenschnüffelei
und Zweifel an der Gnade
Ich brauche eine Portion Lachen, Herr,
die Sorte, die du Sarah eingepflanzt hast.
Aber, bitte, lass mich nicht warten,
bis ich neunzig und dann schwanger werde.

(Church of Scotland, Northumbria Community, Celtic Prayer Book Bd. 2)

„Geh hin und sieh, ob’s gut steht um deine Brüder und um das Vieh!“

(Losungswort für den 1. März 2021)

Das lag dem Vater der ganzen großen Familie natürlich am Herzen. Und der Sohn, knapp 18 Jahre alt, nimmt den Auftrag an und geht los. Es ist eine abenteuerliche Reise, schließlich noch über einen Gebirgszug mehr. Menschen und Herden waren weitergezogen. Aber der Auftrag ist zu schaffen. Da sind sie, alle wohlauf!
Dann bricht die menschliche Katastrophe los: Neid, Missgunst, Hass, Überheblichkeit, alte Vorwürfe, Lüge, das nagende Gefühl, selbst immer zu kurz zu kommen. Um ein Haar hätten die eigenen Brüder den jungen Mann ermordet. Der Einspruch des einzigen Besonnenen ist schwach, aber er verhindert das Schlimmste. Der Bruder wird in eine Erdhöhle gepackt. Das ist auch ganz klar lebensgefährlich. Und dann geben sie ihn Menschenhändlern mit. Es folgen zwölf rechtlose Jahre in einem fremden Land. Der Vater hält ihn für tot.


Alles ist sehr viel anders in diesem anderen Land. Fremde Gesetze, ein ganz anderes Bodenrecht. Ein anderes Wirtschaftssystem mit einer umfangreichen staatlichen Vorratswirtschaft. Der junge Fremde landet zwischendurch unschuldig im Gefängnis. Aber er hat große Begabungen und Fähigkeiten. Die fallen wieder auf, er setzt sie ein und steigt auf zum einflussreichen Regierungsberater. Er hilft entscheidend mit, dass das Land eine bedrohliche Krise besteht. Ob es auch so gut ausgegangen wäre, wenn sie ihn dort nicht gehabt hätten?
Einige Jahre darauf trifft die Krise sein Heimatland. Es ist nicht so gut vorbereitet. Die Familie schickt die stolzen, missgünstigen, verlogenen und rücksichtslosen Brüder los, um mit den letzten Rücklagen im Nachbarland Getreide einzukaufen.


Es gibt einige Verwicklungen. Die menschliche Katastrophe in der Familie wirkt bei allen Beteiligten nach. Aber der Bruder in der Fremde sorgt nun auch für seine eigene Familie. Er verschafft ihnen Hilfe und schließlich eine menschenwürdige, geschützte Stellung und Rechtssicherheit. All das, was er selbst so lange nicht hatte.
Jetzt steht es endlich wirklich gut um seine Brüder und das Vieh. Auch der alte Vater erlebt es noch mit. Gott sei Dank!
Schon erkannt?


Das ist, in kurzer Zusammenfassung, die Geschichte von Josef und seinen Brüdern aus dem Alten Testament. Nachzulesen im 1. Buch Mose Kapitel 37-50. Sie ist rund 3000 Jahre alt, aber sehr aktuell. Sie erzählt von gefährlichen Krisen. Von Begabungen und Möglichkeiten, sie zu bestehen und andere Menschen zu schützen und zu retten. Sie erzählt, wie das auch unter ganz fremden, ganz neuen Bedingungen gelungen ist. Ägypten war doch wirklich ein merkwürdiges Land! Sie ist voller Mut zum Neuen, zum vernünftigen Handeln, zur Wissenschaft. Sie ist überraschend aufgeklärt, aber nicht von ferne gottlos.
Denn sie zieht aus allem den Schluss: „Gott gedachte, es gut zu machen, um zu tun, was jetzt am Tage ist, nämlich am Leben zu erhalten ein großes Volk.“ (1. Mose 50, 20)


Aber dabei kommt es darauf an, dass Neid, Missgunst, Hass, Überheblichkeit, Lügen, das nagende Gefühl, selbst immer zu kurz zu kommen, keinen Raum gewinnen. Die verderben nämlich regelmäßig alles.
Das Vorbild ist Josef. Obwohl der am Anfang auch ziemlich überheblich war und bestimmt kein Unschuldslamm.
Von ihm heißt es: „Komm, ich will dich zu ihnen senden.“
Er aber sprach: „Hier bin ich!“ (1. Mose 37, 13)
Später hat er dann seine Begabungen erkannt, Hilfe und Bewahrung erfahren. Ganz schön große Möglichkeiten hat er in seinen Händen. Und er sagt: „So fürchtet euch nun nicht; ich will euch und eure Kinder versorgen.“ Und er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen. (1. Mose 50, 21)

In einem noch immer sehr viel anderen Jahr mit einigem an Lasten, Sorgen und Herausforderungen unter uns – und vielen Chancen, füreinander da zu sein, grüßt mit den übrigen Mitarbeitenden der Gemeinde
Ihr und euer

Stefan Maser

2020 sollte für unsere Kirchengemeinde ein erstes gutes Jahr unter neuen Bedingungen werden: nur noch ein Pastor für die ganze Gemeinde, neue Absprachen mit den Nachbargemeinden. Ein Gottesdienstplan war gemacht: zwei Gottesdienste pro Sonn- und Feiertag, ein Abendmahlsgottesdienst pro Monat an jedem Ort, ein familienfreundlicher Gottesdienst unter Mitwirkung der Konfirmandinnen und Konfirmanden, in Rheurdt und Sevelen an einem festem Sonntag. In Hoerstgen wöchentlicher Gottesdienst, aber immer früh – ungewöhnlich für eine große Kirche. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten viele Ideen, auch für eine Reihe von Abendgottesdiensten, gestaltet von Jugendlichen, Frauen und Männern. Musik und Konzerte waren geplant, Konfifreizeit, Jugendfreizeit, Seniorenfreizeit und die Wiedereröffnung des „Kletterwäldchens“ in Rheurdt nach Sturm- und Borkenkäferschaden, ein Gemeindefest in Sevelen Ende August.
Jetzt zum Ende des Jahres wollten wir in einer Gemeindeversammlung unsere Erfahrungen besprechen und Anregungen für die Zukunft sammeln. Die Gemeindeversammlung musste auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Unsere Jahresberichte für die Gemeindeversammlung beginnen immer mit Personen, besonders den Mitarbeitenden. Zwei frühere Presbyter der Gemeinde mussten wir in diesem Jahr beerdigen. Beim Abschied von Hans Kohl aus Kengen dachten wir noch einmal an die Anfänge unserer Gemeinde in Sevelen und Rheurdt als Flüchtlings- und Vertriebenengemeinde und die Frauen und Männer, die sie mit aufbauten. Beim Abschied von Friedhelm Lenz aus Sevelen gedachten wir mit viel Dank an seinen jahrzehntelangen Einsatz für Gemeinde, Chor, Kinder und Jugendliche, Gemeindebote und Gemeindegeschichte.
Am 1. März konnten wir ein neues Presbyterium wählen, in der angestrebten Größe von insgesamt zehn Mitgliedern aus allen Orten. Es gab sogar noch mehr Bereitschaft zur Mitarbeit im Presbyterium. Das hat längst nicht jede Gemeinde im Kirchenkreis. Die neuen Presbyterinnen und Presbyter übernahmen Aufgaben, zum Beispiel in den Ausschüssen. Es wurde deutlich, was ihnen am Herzen liegt und was sie gemeinsam mit anderen aus der Gemeinde voranbringen wollen. So richtig konnte das alles noch nicht beginnen.
Das Ende des Jahres bringt uns nun den Abschied von Jugendleiter Hendrik Hülsmann. Er hatte seit April 2019 die vorgefundene Arbeit, die er ja aus Jahren im Ehrenamt kannte, mit Geschick und gutem Echo fortgesetzt, hatte vielversprechende Pläne für dieses Jahr und für eine neue Konzeption unserer Jugendarbeit. Unter den veränderten Bedingungen seit März hat er unverdrossen weitergearbeitet, den Kontakt zu den Jugendlichen gehalten und ihnen den wichtigen Austausch untereinander in unseren Jugendräumen ermöglicht. Wir freuen uns mit ihm über seine Möglichkeit zur beruflichen Weiterentwicklung auf einer Vollzeitstelle beim Diakonischen Werk im Kirchenkreis Kleve – und müssen nun eine gute Nachfolge finden.
Ab März war dann ja wirklich alles anders. Wegen der Pandemie mit einem neuen Krankheitserreger und der gesundheitspolitischen Maßnahmen fielen Freizeiten, Goldkonfirmation, Konfirmationen, Gruppen und Kreise, Singen, Musizieren und Konzerte und bis in den Juni sogar unsere Gottesdienste in den Kirchen aus.
Ich habe schwere Erkrankung und mehrere Todesfälle in der etwas weiteren Familie und unserem Freundeskreis erlebt und von vielen Toten unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Partnerkirchen und Partnerprojekte erfahren. Natürlich habe ich den Kontakt zu meinem früheren Arbeitsfeld, dem Krankenhaus, gehalten. Durch die eigenen Kinder und den Beruf meiner Frau waren mir die besonderen Herausforderungen für die Schulen, die Lehrerinnen und Lehrer nahe – und für die Kinder, die plötzlich kaum noch Kontakt zu Gleichaltrigen hatten.
Viele Menschen mussten und müssen Lasten, große Härten und Sorgen aushalten. Die sind nie gerecht verteilt, und keine davon lässt sich „wegreden“, vielleicht damit, dass es anderen ja noch schlechter geht.
Aber Ostern mit seiner Botschaft vom Leben, Gottesdienst, Gemeinde, Zusammenhalt und Füreinander-da-sein sind nicht ausgefallen. Die letzten „Gemeindeboten“ zeigen die Ideen, die Einsatzbereitschaft und die Treue unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die wir nur von Herzen dankbar sein können. Es lohnt sich, die Hefte noch einmal durchzublättern.
Und bald gab es ja auch wieder Gottesdienste in den Kirchen. Die Küsterinnen bekamen neue Aufgaben und viel Verantwortung. Es gab Musik, unter freiem Himmel und bis in die Altenheime und sogar gemeinsames Singen nach den Gottesdiensten. Was werden wir singen, wenn es wieder richtig „darf und geht“!
Als wir von Hunger und verzweifelten Familien in der Umgebung unseres früheren Partnerprojektes in Peru hörten, begannen wir mit einigen Bekannten dort, für die Kinder auf einem Hügel über dem Armenviertel zu sorgen. In der Gemeinde fanden wir bald Unterstützung. Auch dafür ganz herzlichen Dank!
Was für ein Jahr! So eins gab es wirklich noch nie. Mehr als einmal habe ich mir gesagt: Was wir jetzt alles anders machen müssen (oder gar nicht machen konnten), haben wir wenigstens getan, um ziemlich wahrscheinlich die Gesundheit anderer Menschen zu schützen oder ihnen nicht zu schaden. Das gab es so auch noch nie.
Was mag das neue Jahr bringen? Ob wir mehr von unseren Plänen ausführen können? Ins neue Jahr gehen wir mit dem Aufruf Jesu in der Jahreslosung: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“ (Lukas 6, 56) In der Bibel ist das nie nur ein Gesetz, so dass ich sagen könnte: „Was, jetzt soll ich auch noch barmherzig sein?“, sondern immer auch ein Stück Evangelium, angeboten wie eine schöne Frucht: „Wie wär’s? Du so richtig barmherzig, mit einem warmem, mitfühlenden Herzen? Das wär’s doch!“
Vielleicht ist es genau die Jahreslosung, die wir jetzt brauchen.

Als Jugendliche und junge Erwachsene war das die große Frage, die uns bewegte, die wir unseren Eltern und Großeltern stellten: Warum habt ihr damals nichts gesagt? Warum habt ihr euch nicht zur Wehr gesetzt?
Im sogenannten 3. Reich haben sie Jahre der Gewaltherrschaft erlebt. Krieg, Vernichtung und Vertreibung waren die Folge. Viele von ihnen haben den Versprechen der Nationalsozialisten geglaubt, waren auf ihre Propaganda und ihre Lügen hereingefallen. Die Mehrheit hatte vor dem Elend von Menschen die Augen verschlossen und dem Unrecht seinen Lauf gelassen. Sie hatten dem bösen Treiben nicht entgegen gesetzt. Sie haben geschwiegen wie Pfarrer Martin Niemöller (1892-1984), der Marineoffizier im Kaiserreich und spätere Widerstandskämpfer es in seinem Gedicht so ausdrückt:

Als die Nazis die Kommunisten holten,
da habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Kommunist.

Als sie die Sozis hinter Gitter brachten,
da habe ich geschwiegen;
ich war ja kein Sozialdemokrat.

Als sie die Gewerkschaftler festgenom-
men hatten,da habe ich nicht protestiert;
Ich war ja kein Gewerkschaftler.

Als die Nazis kamen mich zu holen,
da protestierte niemand;
da war ja kein Mensch mehr da.

Zum Glück sind heute Menschen da. Menschen wie Du und ich. Menschen, die aufstehen und Gesicht zeigen. Die sich solidarisieren, wenn Lüge und Unwahrheit sich breitmachen und das Leben Einzelner in unserer Stadt, unserem Land vergiften. Die demonstrieren, wenn der Bürgermeister unseres Ortes beschimpft und bedroht wird. Menschen, die sich nicht verführen lassen vom rechten Gerede und von heimtückischen Anschlägen.
Die den Mut aufbringen und Gesicht zeigen. Ich bin dankbar für Jede und Jeden, die bzw. der die Würde eines jeden Menschen für unantastbar hält und sich dafür einsetzt!


Helga Klaus, Pastorin i.R.

Zum Abend „Christliche Nächstenliebe, Menschen auf der Flucht“ am 11.11.2019 in Hoerstgen: Alle Anwesenden waren sich bewusst, dass viele Menschen auch in den nächsten Jahren in Deutschland Asyl suchen werden. Über 70 Millionen sind auf der Flucht. In ihren Heimatländern herrscht Krieg und Elend. Und die Not ist groß.
Wir werden sie nicht aufhalten können, war eine Aussage des Referenten Bernd Kern: „Mit Zäunen ist das Problem nicht zu bewältigen!“ Aber, was können wir tun, um die Not dieser Menschen zu lindern und ihnen zu helfen? Teilnehmer haben formuliert, dass die organisierte evangelische Kirche durchaus mehr finanzielle Hilfe leisten sollte. Richtige Worte sind manchmal nicht genug. So war der Einwurf eines Teilnehmers. Und noch eindringlicher fragte Rudolf Pappenheim, der zweite Referent: „Was können Christen tun? – Wie zeigt sich Christliche Nächstenliebe?“
Die Antwort, das zeigte der Abend, ist schwierig, auch wenn die Bibel die wesentliche Orientierung für eine gelebte „Christliche Nächstenliebe“ ist und sein kann. Der Glaube an Gott und somit die Bibel hat auch die Präambel des deutschen Grundgesetzes mitbestimmt, in der es heißt:
„Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“
Alle waren sich einig, dass dieser biblische und verfassungsmäßige Rahmen gilt. Und dennoch sprachen die Anwesenden auch über die Frage: „Wer ist unser Nächster?“ Sind es vor allen anderen die Christen in der Not?
Wer ist denn mein Nächster? Diese Frage wurde Jesus schon vor 2000 Jahren gestellt. An vielen Stellen in der Bibel ist die Antwort aufgeschrieben. Die treffendste Bibelstelle ist das Gleichnis vom „Barmherzigen Samariter“. Es zeigt auf, dass wir nicht fragen dürfen, wer bist du? Gehörst du zu meiner Gruppe? Nein, wir Christen müssen helfen, ohne diese Fragen zu stellen, wenn Hilfe notwendig ist. Deshalb müssen Christen die Politik ermutigen, nachhaltige Lösung zur Bekämpfung der Fluchtursachen zu finden.
Wir müssen Antworten finden, die in der heutigen Zeit für die einzelnen Bürgerinnen und Bürger und für die politische Gemeinschaft angemessen sind. Das ist schwierig. Für Christen ist aber eine Pflicht, hinzuschauen und gemeinschaftlich Hilfsangeboten zu entwickeln.
Rudolf Pappenheim zitierte zum Abschluss den Kirchenlehrer Augustinus, der im vierten Jahrhundert gelebt hat. Der sagte zum Thema Nächstenliebe: „Liebe und dann tue was du willst!“ Augustinus hat diesen Satz formuliert, um eine Antwort zu geben, wie Christen die Mitmenschen lieben sollen. Dieser simpel erscheinende Satz birgt alles, was Jesus von uns Christen zum Thema Nächstenliebe erwartet, was er uns aufgetragen hat zu tun. Dieser Satz bedeutet: „Wenn du denkst, denke aus Liebe! Wenn du redest, rede aus Liebe! Wenn du schweigst, schweige aus Liebe! Wenn handelst, handle aus Liebe! Wenn du nicht handelst, tue dies aus Liebe.“